Vitamin D - so viel kann das Sonnenvitamin
Inhaltsstoffwissen
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Das öffentliche Interesse an Vitamin D hat eine jahrhundertealte Historie. Die ersten Fälle von Rachitis, einer Kinderkrankheit, die zu deformierten Knochen führt und eine schwere Folge von Vitamin-D-Mangel darstellt, wurden im 16. Jahrhundert beschrieben. Erst deutlich später wurde der Zusammenhang zwischen Rachitis und Vitamin D sowie von Vitamin D und Sonnenlicht erkannt. Adolf Windaus beschrieb Anfang des 20. Jahrhunderts die chemische Struktur und den Stoffwechsel von Vitamin D und erhielt dafür den Nobelpreis für Chemie. Fortan wurde Vitamin D industriell immer stärker genutzt. Sogar ein Vitamin-D-Bier namens "Sunshine - Health with Enjoyment" der Marke Schlitz sollte Krankheiten vor allem in der kalten Jahreszeit vorbeugen.
Zuletzt wurde Anfang der 2000er Jahre ein regelrechter Vitamin-D-Hype ausgelöst, bedingt durch immer mehr Studienergebnisse in Verbindung mit alarmierenden Blutwerten der Bevölkerung. Vitamin D gewann enorme Bekanntheit und ihm wurde eine Schlüsselrolle bei der Behandlung und Vorbeugung verschiedenster Erkrankungen zugeschrieben. Gleichzeitig wurden auch kritische Stimmen laut, die einen verbreiteten Vitamin-D-Mangel nicht bestätigt sahen. Es gibt bis heute sehr unterschiedliche Empfehlungen zu Vitamin D. Klare Vorgaben kommen inzwischen vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE).
Aber von Anfang an: Was ist eigentlich Vitamin D?
Vitamin D ist der Oberbegriff für verschiedene Calciferole. Die beiden wichtigsten sind das pflanzliche Vitamin D2 (Ergocalciferol) und das in Lebewesen vorkommende Vitamin D3 (Cholecalciferol). Vitamin D ist chemisch mit den Steroiden verwandt, weshalb man manchmal auch hört, es handle sich um ein Hormon. Es gehört zu den fettlöslichen Vitaminen, die der Körper im Fett- und Muskelgewebe speichern kann und die vom Körper am besten mit etwas Fetthaltigem aufgenommen werden können.
Tagesbedarf an Vitamin D
Der Bedarf an Vitamin D wird entweder in Mikrogramm (µg) oder in internationalen Einheiten (IE) angegeben, wobei 1 µg = 40 IE entspricht.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt Kindern ab einem Jahr und Erwachsenen aller Altersgruppen einen geschätzten Referenzwert von bis zu 20 µg Vitamin D pro Tag, das entspricht 800 IE.
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) legte in ihrer Überarbeitung von 2012 neue tolerierbare Höchstwerte für Vitamin D fest, die auch in der Bewertung von 2021 unverändert blieben:
- 100 µg (4.000 IE) pro Tag für Kinder ab 11 Jahren, Jugendliche und Erwachsene
- 50 µg (2.000 IE) für Kinder von 1 bis 10 Jahren
- 25-35 µg (1.000-1.400 IE) für Säuglinge unter 1 Jahr
Wie es um die individuelle Versorgung bestellt ist, lässt sich am besten über den Marker 25-Hydroxyvitamin-D im Blut ermitteln, auch als 25(OH)D geläufig. Er kann in den Einheiten nmol/l oder ng/ml angegeben werden, wobei 1 nmol/l = 2,5 ng/ml entspricht.
Liegt der Wert bei 50 nmol/l, ist der Bedarf an Vitamin D recht gut gedeckt. Rote Warnlampen leuchten auf, sollte dieser Marker unter 30 nmol/l fallen. Optimal wäre ein Serumspiegel von 70 bis 125 nmol/l.
Vitamin-D-reiche Lebensmittel
Lebensmittel wie Lachs, Makrele, Eigelb, Kuhmilch und Champignons liefern Vitamin D, doch müssten sie kiloweise verzehrt werden, um den Vitamin-D-Bedarf adäquat zu decken. Tatsächlich werden nur 10 bis maximal 20% des Bedarfs über die Nahrung gedeckt. Glücklicherweise ist der Körper in der Lage, Vitamin D selbst zu bilden; damit nimmt Vitamin D eine absolute Sonderstellung gegenüber anderen Vitaminen ein. Zumindest theoretisch, denn für die Vitamin-D-Produktion braucht es einen starken Supporter: das Sonnenlicht.
Sommer, Sonne, Vitamin D
Für die Bildung von Vitamin D im Körper ist stets Cholesterin der Leber der Ausgangspunkt. Unter Einfluss von UVB-Strahlung und Wärme wird zunächst Cholecalciferol gebildet, und über Calcidiol und über Leber und Niere letztlich die hormonell aktive Form des Vitamins, das Calcitriol oder auch Dihydroxyvitamin oder 1,25-OH.
Wie hoch die Produktion von Vitamin D ist, wird u.a. von der Kleidung, vom Hauttyp und vom Alter beeinflusst, aber natürlich auch von Dauer, Uhrzeit und Art und Weise der Sonneneinstrahlung. Während in südlichen Gefilden schon ein 10- bis 12-minütiger Aufenthalt in der Mittagssonne mit unbedeckten Armen, Beinen und Gesicht den täglichen Bedarf decken kann, brauchen wir in den höheren Breitengraden in Deutschland entsprechend länger. Von Oktober bis März steht die Sonne bei uns generell zu niedrig; der Einfallswinkel der Sonnenstrahlen reicht dann nicht aus, um die Vitamin-D-Produktion in den Hautzellen anzuregen. So haben wir in Deutschland ausschließlich in den Sommermonaten die Gelegenheit, die Vitamin-D-Speicher aufzufüllen, und dies am besten in der Zeit zwischen 10 und 16 Uhr. Ohne Sonnencreme, versteht sich, denn diese blockt die UVB-Strahlen ab. Und hier deutet sich bereits ein Dilemma an. Denn der Verzicht auf Sonnencreme ist eine direkte Einladung für Sonnenbrand oder Schlimmeres.
Der richtige Umgang mit der Sonne
Wie findet man das richtige Maß zwischen Sonneneinstrahlung und Vitamin-D-Bildung auf der eine Seite und dem adäquaten Sonnenschutz gegen Folgeschäden auf der anderen Seite? Was ihr auf jeden Fall tun könnt, ist, die Haut an die Sonne zu gewöhnen. Denn ist die nackte Haut der UVB-Strahlung ausgesetzt, beginnt unser schlauer Körper, sich an die Umgebung zu adaptieren und als Selbstschutzmechanismus Melanin in die Epidermis einzulagern. Melanin ist ein Pigment, das aus L-Tyrosin gebildet wird und Haut und Haaren ihre Farbe verleiht. Je dunkler die Haut, desto mehr Melanin ist eingelagert und desto weniger empfindlich ist sie gegenüber der Strahlung. Die Kehrseite der Medaille: desto geringer ist auch die Vitamin-D-Produktion. Wenn die Haut regelmäßig kleinen Dosen von UVB-Strahlung ausgesetzt ist, kann von der einsetzenden Vitamin-D-Produktion profitiert werden, bevor die Pigmentierung einsetzt und diesen Mechanismus hemmt. Damit solltet ihr unbedingt schon bei den ersten frühlingshaften Sonnenstrahlen beginnen, bei denen die UVB-Strahlung vergleichsweise wenig aggressiv ist. Aber - und das ist ganz, ganz wichtig - im Zweifel gilt: lieber früher als zu spät eincremen. Fängt die Haut an, sich zu röten, sind bereits Hautschädigungen vorhanden, die langfristig zu ernsten Folgeschäden führen können. Um es auf den Punkt zu bringen: Gegen Vitamin-D-Mangel gibt es Tabletten und Tropfen, gegen Hautkrebs nicht.
Nahrungsergänzungsmittel mit Vitamin D
Nahrungsergänzungsmittel sind eine sinnvolle Möglichkeit, eine unzureichende alimentäre und endogene Vitamin-D-Produktion zu ergänzen. Der Wirkstoff ist dabei häufig tierischen Ursprungs und wird aus den Talgdrüsen von Schafen gewonnen (Lanolin oder auch Wollwachs genannt). Aber auch vegane Alternativen sind möglich, hierfür werden Flechten und Pilze als Ausgangsrohstoff verwendet. Tabletten und Tropfen sind gut dosierbar und versorgen uns das ganze Jahr über mit der benötigten Vitamin-D-Menge.
Der Vitamin-D-Serumspiegel unterliegt starken saisonalen Schwankungen. Um zu wissen, ob alles im grünen Bereich ist, ist es empfehlenswert, den Vitamin-D-Spiegel ein- bis zweimal jährlich fachlich testen zu lassen und die Menge an Supplements optimal anzupassen. Eine hochdosierte Vitamin-D-Einnahme über einen längeren Zeitraum hinweg kann ärztlich verordnet werden, sollte aber nicht in Eigenregie vorgenommen werden.
Welche Rolle spielt Vitamin D für die Knochengesundheit?
Das Sonnenhormon ist an einer Reihe von Prozessen im Körper beteiligt. Insbesondere durch seine Wechselwirkung mit Calcium und Phosphor managt es den kompletten Knochenstoffwechsel. Bei einem Vitamin-D-Mangel kann der Körper das durch die Nahrung aufgenommene Calcium nicht richtig aufnehmen und verwerten, wodurch es nicht selten gleichzeitig auch zu einem Calciummangel kommt. Weil der Körper dagegen anzugehen versucht, setzt er Calcium aus den Knochen frei (Osteomalazie), was wiederum zu einer Abnahme der Knochendichte und in der weiteren Folge zu Osteoporose bei Erwachsenen bzw. Rachitis bei Kindern führen kann. Ein suboptimaler Vitamin-D-Status verringert nachweislich den Knochenaufbau bei Kindern und Jugendlichen und beschleunigt den Knochenabbau bei Erwachsenen und älteren Menschen. Für eine normale Mineralisierung von Knochen und Zähnen ist Vitamin D also unverzichtbar.
Weitere Funktionen von Vitamin D
- Zellteilung: Vitamin D reguliert die Zellproliferation und -differenzierung in vielen Geweben, wobei das Wachstum pathologischer und normaler Zellen auf einem gesunden Maß gehalten wird.
- Muskelfunktion: Vitamin D regt die Eiweißsynthese an, was die Basis zur Bildung von Muskelzellen und Muskelfasern ist. Bei klinischem Vitamin-D-Mangel ist Muskelschwäche typisch, was sich beispielsweise in Störungen des Gangs bemerkbar machen kann (sog. Watschelgang). Unabhängig davon stimuliert Vitamin D den Calciumeinstrom in die Muskelfasern.
- Immunreaktion: Vitamin D spielt eine wichtige Rolle für das Funktionieren des Immunsystems, indem es die Bildung der T-Lymphozyten (auch Killerzellen/T-Helferzellen) fördert, die entscheidend für die Immunantwort sind. Es unterstützt vor allem das angeborene Immunsystem bei der Bekämpfung von Viren und Bakterien.
Risikogruppen bezüglich Vitamin-D-Versorgung
Laut des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) weisen 60% der Deutschen unzureichende Vitamin-D-Spiegel auf. Häufig ist das der Tatsache geschuldet, dass wir selbst in den Sommermonaten viel Zeit in Innenräumen verbringen, zum Beispiel durch unseren Job in Gebäuden, aber auch aufgrund von Krankheit und Gebrechlichkeit. Ältere, Kinder und Säuglinge haben besonders häufig ein Vitamin-D-Defizit, auch übergewichtige Personen gehören zur Risikogruppe, da ihr Fettgewebe jede Menge Vitamin D festhalten kann.
Eine britische Querschnittsstudie kam zu dem Schluss, dass vorgebräunte Personen und jene mit dunklerer Hautfarbe teilweise mehr von Nahrungsergänzungsmitteln profitieren als von UV-Strahlung (zur Erinnerung: In deren Haut ist mehr von dem Hautpigment Melanin, das die Vitamin-D-Bildung hemmt). Die Vitamin-D-Synthese muss außerdem im Sommer so hoch sein, dass die körpereigenen Vitamin-D-Speicher für die Versorgung in den Wintermonaten ausreichend gefüllt sind. Eine ganz schön herausfordernde Angelegenheit, und alleine deshalb sind nahezu alle Personen in unseren Breitengraden potentiell gefährdet, zumindest in der dunklen Jahreszeit.
Über- und Unterdosierung
Ein Mangel kann sich unspezifisch in Abgeschlagenheit, Glieder- und Muskelschmerzen, Krämpfen sowie Kreislauf- und Konzentrationsproblemen äußern. Andererseits ist auch eine Überdosierung möglich, beispielsweise durch die langfristige Einnahme hochdosierter Nahrungsergänzungsmittel ohne ärztliche Beratung. Da das fettlösliche Vitamin D im Körper gespeichert wird, ist neben einer akuten auch eine schleichende Überdosierung möglich. Einer Supplementierung, vor allem in höheren Dosen, sollte daher unbedingt die fachliche Überprüfung des 25-Hydroxyvitamin-D-Spiegels vorangehen.
Vitamin D plus K - eine sinnvolle Kombination?
Wir möchten uns an dieser Stelle auf Vitamin D konzentrieren. Dies geht jedoch kaum, ohne auch einen Blick auf K-Vitamin zu werfen. Daher hier ein kleiner Spoiler: Vitamin K2 ist u.a. dafür zuständig, das mit Hilfe von Vitamin D aufgenommene Calcium an den erforderlichen Stellen im Körper einzubauen. Beide Vitamine arbeiten synergistisch zusammen. Wie genau das funktioniert und noch mehr erfahrt ihr hier.
Fazit:
Eine vollständige Versorgung mit Vitamin D über die Nahrung ist nahezu ausgeschlossen. Faktoren wie Alter, Fähigkeit zur Eigenproduktion, Dauer des Aufenthalts im Freien, Anzahl der Sonnenstunden, Auftragen von Sonnencreme und die Jahreszeit bestimmen, wie viel Vitamin D deine Haut produziert. In sehr vielen Fällen ist eine Supplementation über Nahrungsergänzungsmittel zu empfehlen, um die Sollwerte im Blutserum gleichbleibend zu erreichen. Vitamin K stellt eine sinnvolle Ergänzung dar.