Ganz von vorne: Was ist Oxidation?
Oxidation bezeichnet allgemein eine chemische Reaktion unter dem Verbrauch von Sauerstoff, bei der ein oder mehrere Elektronen von einer Molekülverbindung auf eine andere übergehen. Ein alltägliches Beispiel ist der angeschnittene Apfel, der schon kurze Zeit später braun wird. Dieses Phänomen wird „enzymatische Bräunung“ genannt. Der Apfel ist dabei das Reduktionsmittel (gibt Elektronen ab) und die Luft das Oxidationsmittel (nimmt Elektronen auf). Beim Aufschneiden werden Zellen beschädigt und durch den Kontakt mit der Luft oxidieren die im Fruchtfleisch enthaltenen Stoffe, allen voran Polyphenole, und färben sich braun. Träufelt man allerdings Vitamin C auf die aufgeschnittenen Stellen, bleibt das Fruchtfleisch viel länger frisch – eine gute Demonstration dafür, warum Vitamin C eines der bekanntesten Antioxidantien ist! Oxidation findet auf andere Art auch täglich im menschlichen Körper statt. Denn in verschiedenen Stoffwechselprozessen, z. B. bei der Produktion des Energielieferanten Adenosintriphosphat (ATP) in unseren Zellen, entstehen Abfallstoffe, die als „freie Radikale“ bezeichnet werden und deren Anzahl im Körper nicht zu hoch werden sollte.
Von freien Radikalen zum oxidativen Stress.
Freie Radikale werden auch Pro-Oxidantien oder reaktive Sauerstoffspezies genannt. Dabei handelt es sich um hochreaktive Sauerstoffmoleküle mit einem ungepaarten Elektron, die einerseits als Nebenprodukte des Stoffwechsels anfallen und andererseits durch äußere Einflüsse wie übermäßige UV-Strahlung oder Umweltgifte in den Körper gelangen. Im Normalfall kann unser Körper gut mit ihnen umgehen, denn er hat einige antioxidative Enzyme parat. Diese hindern die freien Radikale daran, Elektronen von den Molekülen und Zellen um sie herum zu übernehmen. Faktoren wie physische Überbelastung, psychischer Stress, ungesunde Ernährung oder Alkohol- und Zigarettenkonsum können die Bildung von freien Radikalen jedoch erhöhen und gleichzeitig dafür sorgen, dass der Organismus weniger Kapazitäten hat, diese zu bekämpfen. Auch einige Medikamente wie z. B. Antibiotika können den Zellstress erhöhen. Dadurch entsteht ein Ungleichgewicht, das auch als oxidativer Stress bezeichnet wird.
Was oxidativer Stress für Energie und Abwehr bedeutet.
Bei oxidativem Stress verfügt der Körper über zu wenig antioxidative Gegenmittel, um die vorhandenen freien Radikale zu neutralisieren. Dadurch gelingt es diesen vermehrt, Elektronen aus intakten Molekülen zu entnehmen, die daraufhin ihre Funktion ändern und selbst zu freien Radikalen werden. Damit es deinen Zellen gut geht, sollte die Zahl der freien Radikale nicht zu hoch sein. Das betrifft vor allem die Mitochondrien, die bei der Energiegewinnung viele freie Radikale erzeugen, und die Monozyten des Immunsystems, die empfindlich auf oxidativen Stress reagieren. Einiges davon bekommt dein Organismus gut selbst in den Griff – da musst du dir gar keine Gedanken machen. Aber wenn er zu viel Power reinstecken muss, fehlt ihm die an anderen Stellen, wo sie unter Umständen viel mehr gebraucht wird.
Antioxidantien: deine Zellschutzpatrouille.
Antioxidantien sind Enzyme, Hormone und Nährstoffe, die unser Körper teils selbst produziert und die wir auch über unsere Nahrung aufnehmen können. Sie wirken sowohl auf enzymatischer als auch auf nichtenzymatischer Ebene, um die Oxidation von Zellen zu verlangsamen und ihre Funktionen und Erbinformationen zu erhalten. Die verschiedenen Antioxidantien bilden in unserem Organismus ein komplexes System, das sogenannte antioxidative Netzwerk. Die einzelnen Bestandteile schützen deine Zellen auf verschiedene Weise: Zum Beispiel reagieren die Vitamine B12, C und E direkt (nichtenzymatisch) mit Oxidantien und wandeln sie so in weniger schädliche Moleküle um. Außerdem kann Nebenprodukte des Stoffwechsels über das antioxidative Netzwerk Vitamin E regenerieren, um einen synergetischen antioxidativen Effekt zu bewirken. Die Mineralstoffe Kupfer, Mangan und Zink bekämpfen freie Radikale hingegen indirekt (enzymatisch), denn sie sind Cofaktoren für Enzyme wie das Coenzym Q10 und die Glutathionperoxidase.
Diese Lebensmittel liefern Antioxidantien satt!
Um den Vitamin-B12-Bedarf zu decken, sind Hühnerleber (ca. 2,5 mg/100 g), Brie und Camembert (je ca. 0,5 mg/100 g), Sojabohnen und Speisekleie (je ca. 2,5 mg/100 g) sowie Steinpilze, Kakaopulver und Marzipan (je ca. 0,4 mg/100 g) bestens geeignet. Eine gute Portion Vitamin C liefern die Exoten Camu-Camu (ca. 2.000 mg/100 g) und die Acerola-Kirsche (ca. 1.000–1.500 mg/100 g), aber auch heimische Früchte wie Hagebutte (ca. 1.250 mg/100 g), Sanddorn (ca. 450 mg) und Johannisbeere (ca. 170 mg) oder Gemüse wie Paprika, Brokkoli, Rosen- und Grünkohl. Richtig viel Vitamin E enthalten Weizenkeimöl (ca. 20 mg/Teelöffel) und Haselnüsse (ca. 26 mg/100 g), etwas weniger ist in Sonnenblumenöl, weiteren Nüssen und grünem Gemüse (Spinat, Brokkoli) enthalten. Kupfer, Eisen, Mangan und Zink stecken vor allem in Austern, Schweineleber, Kakaopulver sowie Soja- und Limabohnen. Mangan findet sich auch in Grünkohl, Knoblauch, Meerrettich, Hafer, Dinkel, Roggen, Reis, Haselnüssen, Heidelbeeren und Hagebutten – und Zink in Rindfleisch, Erd- und Paranüssen, Gouda und Emmentaler.
Pflanzenstoffe wie Betacarotin (z. B. aus Karotten und Tomaten), Flavonoide (z. B. aus Kakao) und Polyphenole (z. B. aus Olivenöl) sind ebenfalls Antioxidantien, die Pflanzen nutzen, um ihre eigenen Zellen zu schützen, und die auch bei uns Menschen Effekte zeigen.
Viel hilft viel – stimmt bei Antioxidantien leider nicht.
Bei so vielen Vorteilen kommt man schnell auf die Idee, die eigene Antioxidantien-Zufuhr ordentlich anzukurbeln. Allerdings können nicht nur zu viele freie Radikale, sondern auch zu große Mengen an Antioxidantien schädlich für deine Zellen sein. Der Grund dafür wird dich sicherlich verblüffen: Ironischerweise wirken Antioxidantien in zu hoher Dosierung nämlich pro(!)oxidativ und können dadurch eine stark erhöhte Bildung von freien Radikalen verursachen. Wer es mit ihnen übertreibt, bewirkt also genau das Gegenteil von dem, was mit ihnen erreicht werden sollte. Darüber hinaus ist auch bei der Einnahme von Antioxidantien als Ergänzung zu Medikationen Vorsicht geboten. Dabei kann es nämlich zu Wechselwirkungen kommen, die den Behandlungserfolg ebenso beeinträchtigen können wie dein allgemeines Wohlbefinden.
Antioxidantien sind nicht nur ein Beauty-Buzzword, sondern stehen im Mittelpunkt eines komplexen Systems zur Beseitigung freier Radikale, die über Stoffwechselprozesse und äußere Faktoren in unseren Körper gelangen. Für einen optimalen Schutz der Zellen ist es allerdings wichtig, ein Gleichgewicht zwischen freien Radikalen und den „Zellschützern“ herzustellen, da zu große Mengen an Antioxidantien sogar prooxidative Eigenschaften haben und dadurch zu einer stark erhöhten Bildung von freien Radikalen führen können.